Impuls zum 8. September 2024
29. Okt 2024
Worte haben eine große Macht
„Was ist herrlicher als Gold?“ fragte der König. „Das Licht“, antwortete die Schlange.
„Was ist erquicklicher als Licht?“ fragte jener. „Das Gespräch“, antwortete diese.
Aus Goethes Märchen
Worte
haben eine große Macht. Wir alle wissen, wie verletzend, aber auch wie
heilsam Worte sein können. Durch Gottes Wort wurde die Welt geschaffen,
sagt uns der Schöpfungsmythos. Im Anfang war das Wort – heißt es im
Prolog des Johannesevangeliums. Ein gutes Gespräch kann uns wieder
aufrichten im wahren Sinn des Wortes, wenn wir nicht mehr weiter wissen.
An vielen Stellen in den Evangelien lesen wir, dass Jesus durch sein
Wort heilt. Wo finden wir heute heilende Worte? Ich habe den Eindruck,
dass wir in der Öffentlichkeit, in den Medien, in den politischen
Aussagen immer mehr von Worthülsen, von Sprechblasen umgeben sind. Ganz
besonders auffällig ist das in Zeiten von Wahlen, in Wahlkämpfen und
auch in Statements aller Parteien nach der Wahl. Da wird hundertmal
dasselbe gesagt, da werden Wahlergebnisse zurechtgebogen oder starkes
handeln versprochen, von dem wir wissen, dass wenn überhaupt nur ein
kleiner Bruchteil davon getan werden wird. Innehalten, Verständnis für
andere Positionen steht nicht hoch im Kurs – gerade wenn darum geht,
Kriege zu verhindern und zu beenden. Mit dem Gegner kann man nicht
reden. War nicht einmal das Zuhören, das Verständnis aufbringen für die
Seite des Gegners das erste Gebot der Diplomatie, ohne den es keinen
dauerhaften Frieden durch Ausgleich der unterschiedlichen Interessen
geben kann? Wir setzen auf Waffen statt auf Worte, aber Waffen können
nur zerstören, Worte können heilen.
Hören wir auf das, was die frohe Botschaft uns heute sagt!
Evangelium nach Markus 7, 31-37
Jesus
verließ das Gebiet um Tyrus wieder und kam über Sidon an den See von
Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekapolis. Da brachte man einen
Taubstummen zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren. Er nahm ihn
beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und
berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum
Himmel auf, seufzte und sagte zu dem Taubstummen: Effata!, das heißt:
Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von
ihrer Fessel befreit, und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen,
jemand davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr
machten sie es bekannt. Außer sich vor Staunen sagten sie: Er hat alles
gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen.
Gedanken zum Evangelium
Bevor
Jesus dem Taubstummen die heilenden Worte „Effata“ – öffne dich!
zuspricht, nimmt er ihn beiseite, weg von der Menge. Erst an einem Ort
abseits der Menge kann Heilung geschehen, öffnen sich ihm Ohren und
Mund. Erst hier kann er sich im Innersten, auch mit seinen
Verletzlichkeiten, berühren lassen, sich letztlich öffnen für die
befreienden Worte Jesu.
Genau das
könnte uns Jesus heute in dieser Erzählung sagen. Wir alle brauchen
Zeiten und Orte im Abseits, weg von der Menge und von dem, was pausenlos
an Worten, an Informationen, Stellungnahmen, was an ständigen
Herausforderungen auf uns zukommt. Es sind Zeiten und Orte, wo wir
wieder auf die innere Stimme in uns hören lernen und wo wir uns auf
unsere wahre Bestimmung als Menschen besinnen können.
Und
Jesus heilt auch durch Berührung. Auch wir brauchen Berührung – mit
unseren eigenen Schwächen und Verletzlichkeiten und mit unseren
Mitmenschen. Unsere Gesellschaft krankt an einer immer größer werdenden
Vereinzelung. In der letzten Woche hörte ich, dass in einer Unterkunft
für Geflüchtete in Berlin-Steglitz-Zehlendorf ein junger Mann aus
Guinea, Mamadou Djoulde Diallo, vier Wochen tot in seinem Zimmer lag und
niemand es bemerkte. Solche Zustände machen fassungslos, zumal sie laut
Recherche von Monitor und Süddeutscher Zeitung kein bedauerlicher
Einzelfall sind. Oder denken wir an die vielen alten Menschen in Heimen,
an die immer mehr Obdachlosen, für die niemand Zeit hat. Gerade in den
Armen und Ausgegrenzten begegnet uns Christus. Ihnen hat Jesus sich
zugewandt; sie hat er durch sein befreiendes Wort geheilt.
Ein
letzter Gedanke: Vor dem Sprechen, vor dem Wort, das befreit, steht das
Hören, das Zuhören auf das, was der oder die andere wirklich meint und
braucht. Nur wenn wir uns gegenseitig wirklich zuhören, gemeinsam unsere
Probleme angehen und um Lösungen ringen auch mit Menschen, die eine
andere Position vertreten als wir, die einen völlig anderen
Lebenshintergrund haben, kann ein Gespräch, ein Dialog oder auch eine
wegweisende Verhandlung zwischen Staaten gelingen, kann echte
Veränderung stattfinden. Stattdessen kämpfen wir zu oft gegeneinander
darum, wer Recht hat. Frieden jetzt schon ermöglichen, in uns und in
unserer Gesellschaft – das können wir nur gemeinsam!
Liedimpuls: Gotteslob Nr. 422,3
Sprich
du das Wort, das tröstet und befreit und das mich führt in deinen
großen Frieden. Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt, und lass
mich unter deinen Kindern leben. Sei du mein täglich Brot, so wahr du
lebst. Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete.
Verweilen
Ein afrikanisches Gebet
Lass mich langsamer gehen, Herr.
Entlaste das eilige Schlagen meines Herzens durch das Stillwerden meiner Seele
Lass meine hastigen Schritte stetiger werden mit dem Blick auf die weite Zeit der Ewigkeit.
Gib mir inmitten der Verwirrung des Tages die Ruhe der ewigen Berge.
Löse die Anspannung meiner Nerven und Muskeln durch die sanfte Musik der singenden Wasser,
die in meiner Erinnerung lebendig sind.
Lass mich die Zauberkraft des Schlafes erkennen, die mich erneuert.
Lehre mich die Kunst des freien Augenblicks.
Lass mich langsamer gehen, um eine Blume zu sehen, ein paar Worte mit einem Freund zu wechseln,
einen Hund zu streicheln, ein paar Zeilen in einem Buch zu lesen.
Lass mich langsamer gehen, Herr, und gib mir den Wunsch,
meine Wurzeln tief in den ewigen Grund zu senken, damit ich empor wachse
zu meiner wahren Bestimmung.